Vorfälligkeitsentschädigung bei Baufinanzierungen – Nur drei von 250 Verträgen sind fehlerfrei
- Kaum ein Darlehensvertrag der untersuchten Kreditinstitute enthielt korrekte Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, die dadurch entfällt
- Betroffen sind ca. fünf Millionen Finanzierungen im Wert von insgesamt rund 867 Milliarden Euro
- Timo Gansel, Inhaber von Gansel Rechtsanwälte: „Was zuerst nach einigen Einzelfällen aussah, stellte sich im Laufe unserer Auswertungen als weit verbreiteter Fehler in Kreditverträgen heraus.“
Berlin, 11.11.2019 – Eine Prüfung der Vertragsunterlagen für Immobilienkredite von 85 Kreditinstituten durch Gansel Rechtsanwälte hat ergeben, dass der Großteil dieser Verträge unzureichende Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung aufweist. In diesem Fall entfällt das Recht des Kreditinstituts auf eine Vorfälligkeitsentschädigung, wenn Darlehensnehmer einen Vertrag mit gebundenem Zinssatz vorzeitig beenden.
Schätzungen der Bundesregierung zufolge entscheiden sich jedes Jahr rund 472.000 Darlehensnehmer dazu, ihre laufenden Immobilienkredite vorzeitig zu beenden1. Das sind etwa 20 Prozent aller Immobilienkredite. In diesem Fall steht der Bank grundsätzlich eine Vorfälligkeitsentschädigung zu. Denn ihr entgeht durch die vorzeitige Rückzahlung ein Teil der vertraglich vereinbarten Zinszahlungen, den sie so gegenüber den Darlehensnehmern geltend macht.
Seit 21. März 2016 gibt es hier eine Änderung: Mit Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie der EU in deutsches Recht, müssen Banken in ihren Immobiliendarlehensverträgen korrekt darüber informieren, wie die Vorfälligkeitsentschädigung für den jeweiligen Kredit berechnet wird. Anderenfalls entfällt der Anspruch der Bank auf diese Entschädigungszahlung2. Ob die Kreditinstitute diese Anforderungen erfüllt haben, wurde von Gansel Rechtsanwälte durch eine umfangreiche Auswertung überprüft.
Nur drei von 250 überprüften Darlehensverträgen waren fehlerfrei
Im Ergebnis zeigt sich, dass nach Einschätzung der Kanzlei lediglich drei von 250 Darlehensverträgen korrekte Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalten. Untersucht wurden dabei 85 Kreditinstitute. Besonders häufig befinden sich in den Verträgen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken fehlerhafte oder ungenaue Formulierungen. Die Fehler beziehen sich auf verschiedene Aspekte, etwa die Nichtbeachtung von Sondertilgungsrechten, unzulässige Gebühren oder die Angabe falscher Zeiträume für die Berechnung des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung.
Dr. Timo Gansel, Inhaber von Gansel Rechtsanwälte sagt dazu: „Was zuerst nach einigen Einzelfällen aussah, stellte sich im Laufe unserer Auswertungen als weit verbreiteter Fehler in Kreditverträgen heraus. Wenn Bankkunden ihren Darlehensvertrag vorzeitig beenden möchten, erhalten sie daher in vielen Fällen unberechtigte Zahlungsforderungen. Sie sollten ihre Verträge deswegen in jedem Fall prüfen lassen.“
Kredite im Wert von insgesamt rund 867 Milliarden Euro können betroffen sein
Die mögliche Tragweite der fehlerhaften Darlehensverträge zeigt eine Statistik der Deutschen Bundesbank zum Volumen der Wohnungsbaukredite für private Haushalte. So wurden seit Inkrafttreten der Wohnimmobilienkreditrichtlinie im März 2016 bis einschließlich September 2019 neue Darlehensverträge mit einem Kreditvolumen von insgesamt rund 867 Milliarden Euro abgeschlossen3. Bei einer durchschnittlichen Darlehenshöhe von 167.000 Euro pro Kreditnehmer4 sind das in diesem Zeitraum mehr als fünf Millionen Finanzierungen. Nach den eingangs erwähnten Schätzungen der Bundesregierung wären davon potenziell mehr als eine Millionen Fälle betroffen, in denen Kreditnehmer vorzeitig ihre Verträge beenden wollen und mit einer Vorfälligkeitsentschädigung konfrontiert sind.
Allein bei den derzeit von Gansel Rechtsanwälte bearbeiteten Fällen beträgt die Höhe der von Bankenseite geforderten Entschädigungszahlungen im Durchschnitt 20.550 Euro. Auf Grund der fehlerhaften Angaben in den Darlehensverträgen zeigen sich immer mehr Kreditinstitute einigungsbereit, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. So konnte in einem von der Kanzlei betreuten Fall die von einer Sparkasse geforderte Vorfälligkeitsentschädigung beispielsweise von 35.000 Euro auf 7.000 Euro reduziert werden. In einem anderen Fall wurde dem Mandanten von einer Volksbank die gesamte Summe von 5.000 Euro erstattet.
Vorfälligkeitsentschädigung auch nachträglich zurückfordern
Auch in den Fällen, in denen bereits eine Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank gezahlt wurde, kann es sich für Betroffene lohnen, ihren Darlehensvertrag überprüfen zu lassen. Denn: Stand der Bank die Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu, kann das Geld noch bis zu drei Jahre nach der Zahlung zurückgefordert werden.
Gansel Rechtsanwälte bietet in jedem Fall eine kostenfreie Überprüfung der Darlehensverträge an, um festzustellen, welche Möglichkeiten sich im jeweiligen Fall anbieten.
1 Deutscher Bundestag (2015), Drucksache 18/5922, S.68.
2 §502 Abs. 2 Nr. 2 BGB regelt hierzu: „Der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn […] im Vertrag die Angaben über […] die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind“.
3 Deutsche Bundesbank (2019), Zeitreihe BBK01.SUD231: Neugeschäftsvolumina Banken DE / Wohnungsbaukredite an private Haushalte insgesamt. Abgerufen 11.11.2019, von https://www.bundesbank.de/dynamic/action/de/statistiken/
zeitreihen-datenbanken/zeitreihen-datenbank/723452/723452?tsId=BBK01.SUD231
4 Allianz (2018), Wie der typische Deutsche seine Immobilie finanziert. Abgerufen 11.11.2019, von https://www.allianzdeutschland.de/wie-der-typische-deutsche-seine-immobilie-finanziert/
Pressekontakt
Es wurden keine Einträge gefunden.