Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits im Juni 2018 ein deutliches Machtwort gesprochen hatte, hat nun auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine jahrelange Rechtsprechung in Bezug auf Befristungsverträge geändert. Das Ergebnis, dürfte viele Arbeitnehmer freuen: Schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag und bestand zwischen beiden bereits zuvor schon einmal ein Arbeitsverhältnis, könnte es rechtswidrig sein, den neuen Arbeitsvertrag zu befristen. Wann mit der geänderten Rechtsprechung eine Befristung unzulässig ist und was betroffene Arbeitnehmer nun unter Umständen verlangen können, erfahren Sie hier.
Wen betrifft die Rechtsprechungsänderung des BAG?
Die Rechtsprechungsänderung des BAG kann für diejenigen interessant sein, die derzeit befristet beschäftigt sind, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gibt. Eine solche Befristung könnte nämlich unwirksam sein, wenn der betroffene Arbeitnehmer bereits zu einem früheren Zeitpunkt für denselben Arbeitgeber tätig war. Die Folge wäre, dass aus der unzulässigen Befristung ein unbefristeter Arbeitsvertrag entstanden ist.
Wann ist eine Befristung unwirksam?
Ein Arbeitsverhältnis kann befristet werden, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Welche Gründe unter anderem in Betracht kommen, sagt der § 14 Abs. 1 S. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Danach liegt ein sachlicher Grund insbesondere dann vor, wenn:
- der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
- die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
- der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
- die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
- die Befristung zur Erprobung erfolgt,
- in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
- der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
- die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
Liegt hingegen kein sachlicher Grund vor, kann ein Arbeitsverhältnis zwar auch befristet werden, allerdings nur unter engen Voraussetzungen. So wäre eine sachgrundlose Befristung nur über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren zulässig, wobei das Arbeitsverhältnis innerhalb dieser zwei Jahre auch nur maximal dreimal verlängert werden dürfte. Würden Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag schließen, der eine dreijährige Befristung enthält, jedoch sachgrundlos erfolgen würde, wäre die Befristung unzulässig, mit der Folge, dass die Befristung unwirksam wäre. Der Arbeitsvertrag wäre infolgedessen auf unbefristete Zeit geschlossen.
Was bedeutet das BAG-Urteil für befristete Arbeitnehmer?
Die Rechtsprechungsänderung des BAG spielt nun im Zusammenhang mit folgender Regelung eine große Rolle:
Eine Befristung {...} ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
14 Abs. 2 S. 2 TzBfG
Danach können Arbeitgeber und Arbeitnehmer dann keine sachgrundlose Befristung miteinander vereinbaren, wenn zwischen beiden bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand. Jahrelang legte das BAG das zuvor so aus, dass eine Vorbeschäftigung nicht gegeben war, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurücklag (vgl. BAG, Urt. v. 06. April 2011 - 7 AZR 716/09, juris Rn. 13). Dem hat das BVerfG (1 BvL 7/14; 1 BvR 1375/14 ) im vergangenen Jahr jedoch ein Ende gesetzt (wir berichteten: BVerfG: Sachgrundlose Befristung darf nicht der Regelfall sein).
Zuvor bedeutet tatsächlich jemals zuvor
Bestand zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits jemals zuvor ein Arbeitsverhältnis, kommt eine sachgrundlose Befristung grundsätzlich nicht in Betracht. Wird eine solche dennoch vertraglich vereinbart, kann sie gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG unwirksam sein. Die Folge könnte ein unbefristetes Arbeitsverhältnis sein.
Besondere Umstände können und sollen die Arbeitsgerichte allerdings dazu veranlassen, Ausnahmen zuzulassen. So kann eine sachgrundlose Befristung insbesondere auch dann zulässig sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06. Juni 2018 - 1 BvL 7/14, Rn. 63). Hierzu hat das BAG (Urt. v. 23. Januar 2019 - 7 AZR 733/16, Pressemitteilung 3/19) nun entschieden, dass eine Beschäftigung nicht sehr lang zurückliegt, wenn lediglich acht Jahre verstrichen sind. Außerdem liegt in einer eineinhalbjährigen Beschäftigungsdauer auch keine Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer.
Sollten Sie daher derzeit ohne Sachgrund befristet beschäftigt sein und waren Sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt für Ihren aktuellen Arbeitgeber tätig, stehen Ihre Chancen womöglich gut, dass Ihre derzeitige Befristung rechtswidrig ist. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG führt selbst eine achtjährige Unterbrechung nicht dazu, dass Arbeitnehmer erneut sachgrundlos befristet beschäftigt werden dürfen.
Wenn Sie wissen möchten, ob Ihre derzeitige Befristung zulässig ist, sind unsere erfahrenen Rechtsanwälte Ihr erster Ansprechpartner. Wir können Ihnen bereits im Rahmen unserer Erstberatung verraten, ob Ihre aktuelle Befristung rechtswidrig ist und welche Möglichkeiten sich daraus für Sie ergeben könnten. Unsere Arbeitsrechtsexperten helfen Ihnen gerne weiter.
Online-Formular: Erstberatung im Arbeitsrecht
Was können betroffene Arbeitnehmer jetzt verlangen?
Wenn Sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt für Ihren aktuellen Arbeitgeber gearbeitet haben, derzeit allerdings sachgrundlos befristet beschäftigt sind, könnte die Rechtsprechungsänderung des BAG in folgenden Situationen für Sie von Bedeutung sein:
1) Ihr Arbeitsverhältnis läuft noch
Wenn nichts anderes vereinbart ist, können Arbeitsverträge, die einer Befristung unterliegen, weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer ordentlich gekündigt werden (§ 15 Abs. 3 TzBfG). Nichtsdestotrotz bereitet es Vielen Sorge, wenn sie langfristig nicht mit ihrem Job planen können. Oftmals besteht daher ein Interesse daran, bereits möglichst frühzeitig zu erfahren, wie es nach Ablauf der Befristung weitergehen könnte. Hier können Ihnen unsere auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwälte womöglich weiterhelfen. Wir können Ihnen verraten, ob Ihre Befristung rechtswidrig ist. Ist sie rechtsunwirksam, gilt der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen, womit Sie unbefristet beschäftigt wären. Unsere Erstberatung könnte somit unter Umständen dazu führen, Ihnen ein wenig mehr Planungssicherheit zu verschaffen.
2) Ihr Arbeitsverhältnis endet
Wenn Ihr Arbeitsverhältnis kurz vor dem Ende steht, da die Befristung sich dem Ende neigt, aber auch wenn Ihr Arbeitsverhältnis soeben geendet hat, sollten Sie sich an unsere Arbeitsrechtsexperten wenden: War Ihre Befristung unzulässig, können Sie sich womöglich gegen das Ende wehren. Bereits im Rahmen unserer Erstberatung können wir Ihnen verraten, ob ein rechtliches Vorgehen Aussicht auf Erfolg hätte. Allerdings müssen Sie schnell sein: Will der Arbeitnehmer die Rechtsunwirksamkeit der Befristung geltend machen, muss er dies innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages tun (§ 17 S. 1 TzBfG). Dies geschieht durch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht. Sollte sich Ihre Befristung demzufolge dem Ende neigen, sollten Sie sich bestenfalls auch schon frühzeitig an unsere Experten wenden.
Wenn Sie wissen möchten, ob Ihre Befristung rechtswidrig ist, helfen Ihnen unsere Arbeitsrechtsexperten gerne weiter. Bereits im Rahmen unserer Erstberatung können wir Ihnen verraten, ob Sie einen Anspruch darauf haben, auch nach Ablauf der Befristung weiterbeschäftigt zu werden. Außerdem können wir Ihnen verraten, was Sie tun können, wenn Ihr Arbeitgeber mit einer Weiterbeschäftigung nicht einverstanden ist.