Für viele gibt es nichts Schlimmeres als Ungewissheit und Unsicherheit. Das gilt nicht zuletzt bei der Arbeitszeit. Wem immer wieder die Arbeitszeit nur befristet erhöht wird, obwohl ein dauerhafter Bedarf an einer umfangreicheren Arbeitsleistung besteht, der möchte für die Zukunft eine Aufstockung seines Stundendeputats und damit Klarheit. So entschied auch das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass der Betroffene in einem solchen Fall unangemessen benachteiligt sein kann.
Der Fall: Ein Lehrer wehrt sich
Ein Lehrer an einer katholischen Heimschule schloss seit 1995 befristete Arbeitsverträge mit einem Stundendeputat zwischen drei und elf Stunden pro Woche. Ab 2001/2002 wurde jeweils auf ein Schuljahr befristet das Stundendeputat erhöht. Die befristeten Verträge wurden mit Teilzeitbeschäftigung, Deputatsreduzierung, Urlaub oder Erkrankung anderer Lehrkräfte sowie der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre begründet. Für das Schuljahr 2011/2012 bekam der Lehrer einen Zusatzvertrag über ein zusätzliches Unterrichtsdeputat von vier Wochenstunden mit dem Befristungsgrund „Deputatsreduzierung anderer Lehrkräfte“.
Der Lehrer klagte gegen die Schulträgerin mit der Begründung, der in den Zusatzverträgen über Jahre hinweg genannte Befristungsgrund „Deputatsreduzierung anderer Lehrkräfte” belege, dass während der gesamten Zeit Bedarf für eine über zwölf Unterrichtsstunden hinausgehende Beschäftigung bestanden habe. In der Vergangenheit seien auch immer wieder Neueinstellungen vorgenommen worden, anstatt ihn bei der Vergabe zusätzlicher Stunden vorrangig zu berücksichtigen.
Bundesarbeitsgericht: befristete Arbeitszeiterhöhung benachteiligt unangemessen
Das BAG gab dem Lehrer Recht. Er sei durch die befristete Arbeitszeiterhöhung unangemessen benachteiligt worden. Die Schule habe zwar ein berechtigtes Interesse daran, die immer längerfristigen Ausfälle von Lehrkräften oder Änderungen in der Anzahl dadurch zu kompensieren, indem deren Unterrichtsstunden vorübergehend schuljahresbezogen von anderer Lehrkräfte über die Aufstockung der Arbeitszeit in ihren Verträge wahrgenommen werden. Dem stehe aber das berechtigte Interesse des Lehrers an der unbefristeten Vereinbarung des Arbeitszeitumfangs entgegen, schließlich hänge vom Umfang der Arbeitszeit auch sein Einkommen ab.
Bei einer Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang müssen Umstände vorliegen, die die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt über das erhöhte Arbeitsvolumen nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes rechtfertigen können. Nur dann sei eine unangemessene Benachteiligung auszuschließen.
Eine Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang liege vor, wenn sich das Aufstockungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses belaufe. Bei einem geringeren Aufstockungsvolumen müsse in Abwägung der beiderseitigen Interessen geprüft werden, ob der Arbeitnehmer durch die Befristung unangemessen benachteiligt werde. Gegenstand der Inhaltskontrolle ist die zuletzt vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung. Bei der Angemessenheitsprüfung können jedoch auch die Anzahl der in der Vergangenheit getroffenen befristeten Aufstockungsvereinbarungen und die Gesamtdauer des Aufstockungszeitraums berücksichtigt werden.
Kommentar: Auf den Sachgrund kommt es an
Mit dem Urteil des BAG vom 23.03.2016 (Az.: 7 AZR 828/13) verschärft das BAG die Voraussetzungen einer wirksamen befristeten Arbeitszeiterhöhung im laufenden Arbeitsverhältnis. Der Leitsatz des Gerichts:
„Die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen unterliegt nicht der Befristungskontrolle nach den Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, sondern der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Die befristete Erhöhung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang erfordert jedoch zur Annahme einer nicht unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB Umstände, die die Befristung eines über das erhöhte Arbeitszeitvolumen gesondert abgeschlossenen Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würden. Eine Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang liegt in der Regel vor, wenn sich das Erhöhungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses beläuft.“
Bei einem Erhöhungsvolumen um 25% eines Vollzeitarbeitsverhältnisses ist bei befristeten Arbeitszeiterhöhungen also stets zu prüfen, ob ein Sachgrund (z.B. vorübergehender betrieblicher Bedarf, Vertretung oder Erprobung) vorliegt. Fehlt ein Sachgrund, dann ist die Befristung der erheblichen Arbeitszeiterhöhung unwirksam. Ergo: Der Arbeitnehmer ist unbefristet mit der erhöhten Arbeitszeit weiter zu beschäftigen.