Landesarbeitsgericht urteilt: SMS vom Chef müssen nicht beantwortet werden
Für viele ist es ein Schreckmoment: Man freut sich auf einen gemütlichen Abend und plötzlich vibriert das Handy und der Name des Chefs oder der Chefin erscheint auf dem Handybildschirm. Viele, die das Handy lieber schnell umdrehen und stumm schalten würden, fragen sich dann, ob sie für Ihre:n Vorgesetzte:n erreichbar sein müssen. Genau diese Frage beschäftigte auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein. Das Urteil: Arbeitnehmer:innen müssen eine SMS vom Chef in ihrer Freizeit nicht beantworten.
Wie kam es zu dem Urteil? Das Landesarbeitsgericht verhandelte den Fall eines Notfallsanitäters, dessen wöchentliche Arbeitszeit inklusive Bereitschaftsdiensten 48 Stunden betrug. Die Sanitäter können aufgrund einer Betriebsvereinbarung zu sogenannten Springerdiensten verpflichtet werden. Sie müssen also bei einer kurzfristigen Erkrankung einer Kollegin oder eines Kollegen einspringen. Das muss der/die Arbeitgeber:in allerdings am Vortag bis spätestens 20 Uhr ankündigen.
Am 8. April 2021 brauchte der Arbeitgeber dringend einen solchen Springer und versuchte hierfür den Kläger telefonisch zu erreichen. Vergeblich. Der Kläger antwortete nicht auf die SMS vom Chef und wurde dafür ermahnt. Derselbe Kläger sollte im September 2021 wieder als Springer eingesetzt werden, ignorierte die SMS und eine E-Mail des Arbeitgebers aber erneut. Daraufhin wurde der Kläger abgemahnt. Die beiden Tage, an denen er als Springer gebraucht wurde, trug der Arbeitnehmer als unentschuldigtes Fehlen ein.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein gibt Kläger in allen Punkten recht
Der Arbeitnehmer hat geklagt: Er verlangte die Auszahlung des Lohns und die Entfernung der Abmahnung. Seine Begründung: Er darf während seiner Freizeit das Handy auf lautlos stellen und sei zudem nicht dazu verpflichtet, Änderungen am Dienstplan zu verfolgen. Der Arbeitgeber ist anderer Ansicht: Mitarbeitende seien durchaus verpflichtet, sich über den Dienstplan zu informieren sei es durchaus zuzumuten, auch in der Freizeit erreichbar zu sein. Der Kläger hätte sich über den Dienstplan informieren müssen — auch in der Freizeit.
Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger nun in allen Punkten recht gegeben. Mitarbeitende müssten in ihrer Freizeit demnach keine SMS des Chefs beantworten. Das gilt übrigens auch für Telefonanrufe des Arbeitgebers. Also: Entscheiden Sie selbst, ob Sie für kurzfristige Sonderwünsche des Chefs erreichbar bleiben wollen. Rein rechtlich dürfen Sie in Ihrer Freizeit das Handy stumm schalten, umdrehen oder in den Schrank sperren – Freizeit bleibt schließlich Freizeit.