Was bedeutet Rücktritt oder Anfechtung der Berufsunfähigkeitsversicherung?
- Mitteilungs– oder Anzeigenpflichtig sind alle Umstände, die auf das Vorliegen eines gefahrerheblichen Zustandes schließen lassen.
- Das Rücktrittsrecht des Versicherers bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist befristet.
- Ein Rücktritt ist nur möglich, wenn die fehlerhafte Angabe ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles war.
Inhalt:
- Rücktritt: Muss ich alle Informationen angeben?
- Anfechtung: Wie sieht es mit der Mitteiilungs- und Anzeigenpflicht aus?
- Rücktrittsfrist des Versicherers: Bis wann kann man vom Vertrag zurücktreten?
- Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: Bei wem liegt die Beweispflicht?
- Wann lohnt sich ein Vorgehen?
Rücktritt: Muss ich alle Informationen angeben?
Der Versicherungsnehmer muss bei Vertragsabschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung alle ihm bekannten Umstände offen legen, die für die Übernahme des Versicherungsrisikos durch den Versicherer von Bedeutung sind. Das sind zum Beispiel Vorerkrankungen wie Rückenschmerzen etc.. Unterlässt der Antragsteller dies, kann der Versicherer später – meist wenn der Versicherte seine Berufsunfähigkeit meldet bzw. beantragt – vom Vertrag zurücktreten. Den Rücktritt vom Vertrag kann der Versicherer auch erklären, wenn der Antragsteller falsche oder fehlende Angaben gemacht hat. Der Versicherer hat allerdings dann kein Rücktrittsrecht, wenn ihm die falschen Angaben bekannt waren oder die falsche Anzeige ohne Verschulden des Antragstellers erfolgte. Eine Leistungsablehnung oder eine Kündigung des Vertrages einer Berufsunfähigkeitsversicherung stellen im Übrigen keinen Rücktritt dar. Dafür gelten andere Rechtsfolgen.
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Anfechtung: Wie sieht es mit der Mitteiilungs- und Anzeigenpflicht aus?
Mitteilungs– oder Anzeigenpflichtig sind alle Umstände, die auf das Vorliegen eines gefahrerheblichen Zustandes schließen lassen. Also alle Dinge, die die Wahrscheinlichkeit, dass einmal eine Berufsunfähigkeit eintreten wird, erhöhen. Eine Anzeigeobliegenheit ist allerdings nur gegeben, wenn dem Antragsteller oder Versicherungsnehmer der gefahrerhebliche Umstand auch bewusst war. So sind dem Versicherer z.B. nur solche Krankheiten mitzuteilen, die dem Versicherungsnehmer tatsächlich bekannt sind.
Beweispflichtig für die Kenntnis des Versicherungsnehmers von den gefahrerheblichen Umständen bei Vertragsschluss ist der Versicherer. Für den Versicherungsnehmer besteht im Übrigen bis zum Abschluss des Vertrages – also innerhalb der Bindungsfrist - eine Nachmeldepflicht für ungünstig veränderte Gefahrumstände, die nach der Antragstellung eingetreten sind.
Anfechtung des Vertrags
Wenn also ein Fliesenleger von einer beginnenden Arthrose im Knie weiß, muss er dies beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung angeben. Auch dem Fliesenleger als medizinischem Laien kann klar sein, dass ihm seine Arthrose wohl in Zukunft Schwierigkeiten bei der Arbeit machen wird und somit die Wahrscheinlichkeit erhöht, deshalb einmal seinen Beruf nicht mehr ausüben zu können.
Rücktrittsfrist des Versicherers: Bis wann kann man vom Vertrag zurücktreten?
Das Rücktrittsrecht des Versicherers bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist befristet. Er kann innerhalb eines Monats - beginnend mit seiner Kenntnis von der unrichtigen Beantwortung einer Antragsfrage durch den Versicherten - vom Vertrag zurücktreten. Dabei zählen allerdings Verdachtsmomente nicht als Kenntnis.
Für die Beantwortung der Frage, wann die Rücktrittsfrist infolge der Kenntnis des Versicherers zu laufen begonnen hat, trägt der Versicherte die Beweislast.
Ein Rücktritt ist zudem nur möglich, wenn die fehlerhafte Angabe ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles war.
Rücktritt vom Vertrag
Wenn also jemand unter Depressionen leidet, die eine Vorerkrankung darstellen und dies der Versicherung nicht bei Vertragsabschluss mitgeteilt hat, dann hat das Versicherungsunternehmen hier die Möglichkeit, von dem Vertrag zurückzutreten, sollte die BU-Rente aufgrund der Depressionen beantragt werden. Der Versicherte hat diese Vorerkrankung ja nicht bei Abschluss der Versicherung erwähnt, somit hat die Versicherung auch nicht die Möglichkeit gehabt, das erhöhte Risiko einzurechnen. Sie hat in diesem Fall aber das Recht, von dem Vertrag zurückzutreten.
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: Bei wem liegt die Beweispflicht?
Der Versicherer kann bei einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung anstelle des Rücktritts vom Vertrag auch den Vertrag anfechten, wenn er glaubt, arglistig getäuscht worden zu sein. Dies ist für den Versicherer vorteilhaft, da er nicht innerhalb einer Monats-, sondern einer Jahresfrist ab Kenntnis der Täuschung gegen den Vertrag und damit seine Leistungspflicht vorgehen kann.
Allein falsche oder unvollständige Angaben auf dem Antragsformular zum Versicherungsvertrag stellen noch keine Täuschung und schon gar nicht eine arglistige Täuschung dar. Dem Versicherungsnehmer musste – um zu täuschen - zunächst vielmehr die Unrichtigkeit der irreführenden Angaben bewusst sein und er musste willentlich einen Irrtum über den wahren Sachverhalt herbeiführen wollen. Außerdem ist Arglist erst gegeben, wenn die Täuschung darauf abzielte, den Versicherer zum Vertragsabschluss zu bewegen. Falschangaben aus Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit, Trägheit, falscher Scham etc. sind nicht arglistig. Der Versicherer ist insofern beweispflichtig in Bezug auf die Arglist des Versicherten.
Überlassen Sie die Prüfung den Expert:innen und schlagen Sie sich nicht mit dem Kleingedruckten herum. Unser Kooperationspartner Keen Law Rechtsanwälte prüft unverbindlich anhand Ihrer Angaben, ob sich ein Vorgehen gegen Ihre Versicherung lohnt.
Wann lohnt sich ein Vorgehen?
Unsere Erfahrung zeigt, dass ein Rücktritt des Versicherers vom Vertrag in einer Vielzahl von Fällen bereits auf Grund von Formfehlern scheitert. Auch den Vorwurf, der Versicherungsnehmer hätte arglistig getäuscht, kann der Versicherer oft nicht belegen. Im Übrigen stellt sich immer wieder heraus, dass falsche bzw. unvollständige Angaben zum Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers durch eine abschluss- und damit provisionsorientierte Beratung des Versicherungsvermittlers zustande gekommen sind. Diese Fehlberatung hat der Versicherer dann zu vertreten, wenn der Vermittler als so genannter Agent im Auftrag des Versicherers tätig war.
Beitrag geprüft von
Rechtsanwalt Philipp Caba**
Philipp Caba ist ein erfahrener Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf Zivil-, Bank- und Versicherungsrecht. Er studierte in Deutschland und Schweden und ist Geschäftsführer der Gansel Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
* Angestellte Anwälte, ** Geschäftsführer, *** Freischaffende Rechtsanwälte